Kommentar: Berlin verschnarcht Turrell Museum

James Turrel, Ganzfeld-Installation

Das stillgelegte Wasserwerk Riemeisterfenn an der Krummen Lanke wäre ein idealer Ort für außergewöhnliche Kunstinstallationen.

Dietmar-Maria Hegemann, Mitbegründer des Techno-Clubs Tresor und Kulturunternehmer, will hier ein Museum mit Werken des Lichtkünstlers James Turrell einrichten. Der Amerikaner wäre damit erstmalig in Berlin zu sehen. Wieder: wäre.

Turrell ist einer der wichtigsten Protagonisten der kalifornischen „Light and Space“ Bewegung, die seit den 1960er Jahren Licht als künstlerisches Medium erfahrbar macht. Turrells Arbeiten sind in Kunstsammlungen weltweit vertreten, etwa im Guggenheim und im MoMa in New York sowie dem Museum of Contemporary Art in Los Angeles.

Das privat finanzierte Museum im Wasserwerk wäre ein Vorbildprojekt für Berlin. Nochmal: wäre – denn das Vorhaben wird gerade von der Berliner Bürokratie zermahlen.

Eigentlich hat Hegemann ein glückliches Händchen für die Transformation ungewöhnlicher Räume. So verwandelte er im vergangenen Jahr das ehemalige Heizkraftwerk an der Köpenicker Straße in den Kunstraum Trafo.

Bereits vor acht Jahren schloss er einen Pachtvertrag mit den Berliner Wasserbetrieben, um das Wasserwerk im Grunewald mit einem Architektenbüro umzugestalten.

Nachdem Hegemann im oberirdischen Teil des Gebäudes das Ausflugslokal „Ostermann“ eröffnet hat, begann er davon zu träumen, auch die unterirdisch verborgenen, technischen Räume des Wasserwerks mit einer Lichtinstallation zu bespielen.

Die industriegeschichtliche Architektur reizte auch den Kunstmäzen Dieter Rosenkranz, der schon die Temporäre Kunsthalle mit seiner Stiftung Zukunft Berlin gefördert hat. Rosenkranz lud Turrells amerikanischen Galeristen Bill Griffin ein.

Danach geht alles ganz schnell. Turrell reist nach Berlin und entwickelt einen „Skyspace“ für den Pumpenraum sowie eine „Ganzfeld“-Installation, die den kappellenartigen Raum des Reinwasserbehälters in blaues Licht taucht.

Dieter Rosenkranz ersteht das Werk 2008 für eine halbe Million Euro. Auch der Züricher Turrell-Sammler und Galerist Wolfgang Häusler stellt dem Museum zusätzlich mehr als ein Dutzend Frühwerke des Künstlers als Leihgabe in Aussicht.

Hegemann hat zu diesem Zeitpunkt viele Unterstützer, auch in der Politik. Kultursenator André Schmitz gratuliert Hegemann, „das Land Berlin halte das Vorhaben für ein wünschenswertes und bedeutendes Projekt der zeitgenössischen Kunst in Berlin“.

Doch Hegemann hat die Rechnung ohne die Bürokraten gemacht.

Im Frühjahr 2009 schreitet die Wasserschutzbehörde ein. Die Nutzung der unterirdischen Räume und die geplanten Umbauten werden untersagt. Das Trinkwasser könne gefährdet werden, heißt es zur Begründung. Darin beruft sich die Behörde auf ein Gesetz der Alliierten aus dem Jahre 1946 zur hygienischen Überwachung der Berliner Wasserwerke.

Dabei ist das Wasserwerk seit Jahren außer Betrieb. Egal, sagt die Behörde, denn ein auf dem weitläufigen Gelände liegender Brunnen soll 2016 eventuell wieder aktiviert werden. Wenn dann Museumsbesucher über das Gelände trampeln, könnten sie das Trinkwasser verschmutzen.

Hegemann kann darüber nur den Kopf schütteln. Schließlich würde es im Kunst-Wasserwerk mit der kontemplativen Arbeit von Turrell nicht wie auf einem Jahrmarkt zugehen. Geplant sind limitierte Führungen mit Anmeldung, wie in Christian Boros Kunstbunker.

Auf mehreren Treffen mit Vertretern der Wasserschutzbehörde hat Hegemann eine zeitlich begrenzte Nutzung des Wasserwerks für die nächsten fünf Jahre vorgeschlagen, doch die Fronten bleiben verhärtet. Ein hilfesuchender Brief Hegemanns an den erst so begeisterten Kultursenator Schmitz und Bürgermeister Klaus Wowereit blieb bis heute ohne Antwort.

Am 23. Juni will Hegemann das Projekt, in das er nach eigenen Angaben bereits 300.000 Euro gesteckt hat, um 17 Uhr im Rathhaus Zehlendorf öffentlich vorstellen.

Bis Ende des Sommers muss eine Lösung gefunden werden. Sonst will Hegemann die teure Miete des Wasserwerks aufgeben und das Turrell-Projekt begraben. Dann hätte Berlin die einmalige Chance auf ein Museum dieses außergewöhnlichen Künstlers verschnarcht.

Laila Niklaus (TIP Heft 14/2011)

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