Interview: Werner Müller-Galerie Zwinger

Ulrike Grossarth, „Ulica Nova“

25 Jahre Zwinger Galerie

Die Galerie Zwinger feiert ihr 25jähriges Jubiläum im Dezember. Es gibt kaum einen anderen führenden Ausstellungsraum in der Stadt, an dem sich die Galeriengeschichte Berlins besser ablesen lässt. Anlass für einen Rückblick mit dem Galeristen Werner Müller.

LN: Herr Müller, Sie blicken auf fast drei Jahrzehnte Galerie Zwinger zurück. Hautnah erlebten Sie die Zeit vor der Wende, nach dem Mauerfall und die rasante Entwicklung der Kunstszene mit. Sehen Sie sich als Chronist der Berliner Galeriengeschichte?

WM: Natürlich kann ich Geschichten erzählen, aber als Chronist sehe ich mich nicht. Weder bin ich Nostalgiker noch halte ich viel von verfrühter Historisierung. Der Blick geht nach vorn.

LN: Die Galerie Zwinger eröffnete 1986 in der Dresdener Straße in Kreuzberg, damals ein Paradies für schräge Vögel und wilde Partys. Der Ladenraum Ihrer Galerie maß gerade mal 20 qm und war höher als breit. Wie kamen Sie in solch verrückten Jahren zu einer Galerie?

WM: Das Filmemachen war meine eigentliche Passion, aber Anfang der 80er Jahre gab es in Deutschland keine Chance für ein Kino, wie es mir vorschwebte. Die Tätigkeit des Galeristen bot interessanten Ersatz. Es gibt Ähnlichkeiten zum Filmemachen. Das Zusammenführen unterschiedlicher Künstler und Talente wird nie langweilig. Nach Marcel Proust macht man im Leben sowieso immer das, was man am zweitbesten kann.

LN: Woher stammt der Name Galerie Zwinger?

WM: Den Namen Zwinger hat ein Freund vorgeschlagen. Es gibt den ironischen Verweis zum berühmten Dresdener Zwinger (wir befanden uns ja in der Dresdener Strasse). Zwinger klingt auch ein bisschen (Rudolf) Zwirner – damals ein wichtiger Galerist und ein Vorbild.

 LN: Berlin besaß im Vergleich zum Rheinland nur einen geringen Stellenwert im deutschen Kunstmarkt. Wie haben Sie angefangen?

WM: Angetreten bin ich nicht mit einem ausformulierten Konzept. Eines jedoch war klar: Keine expressive Malerei, weder abstrakt noch figurativ. Westberlin war voll davon und anderes drang kaum durch. Es gab eine Reihe von Mitstreitern bei der Presse und in der Kunstszene. Wir bekamen schnell große Aufmerksamkeit.

LN: Noch heute vertreten Sie die Künstler, mit denen Sie als Galerist anfingen, darunter Eran Schaerf, Ulrike Grossarth, Heinz Emigholz, Ueli Etter, Nikolaus Utermöhlen und Käthe Kruse von “Die Tödliche Doris”. (Nicht zu vergessen SUSI POP als eine Art Hausmarke.) Was reizt Sie noch immer an diesen Künstlern, und wie haben Sie sie trotz starker Konkurrenz halten können?

WM: Alle diese inzwischen „gestandenen“ Künstler sind noch unterwegs. Bieten Überraschungen (ausgenommen Nikolaus Utermöhlen, der vor 15 Jahren jung verstorben ist).  Sie zeichnen sich durch scharfe Intellektualität aus, was allerdings auch verhindert, dass sie vom Mainstream des Kunstmarkts aufgenommen werden. Man wird zum Spezialisten für ungewöhnliche künstlerische Positionen und backt etwas kleinere Brötchen. Im Wesentlichen ist die Galerie ein Einmannbetrieb geblieben.

LN: Nach der Wende kam es zu einer spektakulär anwachsenden Kunstszene, die sich zunehmend kommerzialisierte. Nur wenige Galerien Ihres Schlags bestehen noch heute. Was unterscheidet Ihre Arbeit von dem Wirken der jüngeren Generation?

WM: Vor 25 Jahren gab es den Ausbildungsberuf des Galeristen oder Kulturmanagers noch nicht. Man legte einfach los, aus einem idealistischen Interesse am Gegenstand heraus und brauchte auch noch nicht viel Geld dafür. Heute steigen die jungen Neugründer ganz anders ein: Professionell, versorgt mit genügend Kapital,  um sofort einen Standard zu behaupten, der einen Platz im Kunstmarktgefüge garantiert. Manche mögen sich auch von dem Glamour des Kunst-Jetsets verführen lassen. Es wird inzwischen so viel Geld umgesetzt, dass man nicht automatisch als Spinner abgetan wird, wenn man sich auf die eine oder andere Weise mit Kunst beschäftigt.

Ulrike Grossarth, „Ulica Nova“

LN: In der Jubiläums-Ausstellung zeigen Sie eine Einzelschau mit Ulrike Grossarth. Die Zeichnungen, Projektionen und Malereien der Künstlerin beziehen sich auf Fotografien von Stefan Kielsznia, der in den 1930er Jahren das jüdische Viertel in Lublin fotografierte. Was gefällt Ihnen an Grossarths bildnerischen Reflektionen?

WM: Genau das: Es sind Bild gewordene Reflektionen. Ulrike Grossarth betont immer, dass es ihr nicht allein um die Herstellung von Kunstwerken geht, sondern um die Generierung von erfahrbaren und anschaulichen Denkräumen. Das gibt ihr die Freiheit, völlig unkonventionell mit ihren künstlerischen Mitteln umzugehen. Als Folge entstehen Artefakte, die in Ihrer formalen Ausprägung und Erscheinung äußerst ungewöhnlich und rätselhaft sind.

LN: In den Neunzigern sind sie mit Ihrer Galerie nach Mitte umgezogen und in diesem Jahr in das nördliche Schöneberg. Den richtigen Riecher für Trends zu haben, ist das eines Ihrer Geheimnisse? Werden Sie hier länger verweilen?

WM: Trends gingen immer an mir vorbei. Auch die Künstler, die etwas später hinzukamen, wie Gunter Reski, Gerhard Faulhaber oder Birgit Schlieps habe ich nicht angefragt aus dem Kalkül heraus, sie könnten einen angesagten Zeitgeist repräsentieren. Interessiert bin ich an eigenwilligen, vielleicht solitären künstlerischen Positionen. Auch die Entscheidung für die Mansteinstrasse als neuem Standort hat wenig mit dem Hype um die Potsdamer Strasse zu tun. Und ja, ich werde wohl einige Jahre hier bleiben. zehn Jahre Kreuzberg, vierzehn Jahre Mitte, das spricht doch für Standorttreue.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Jubiläum 25 Jahre Galerie Zwinger, Ulrike Grossarth, „Ulica Nova“, Galerie Zwinger, Mansteinstrasse 5, Schöneberg, Di-Sa 12-18 Uhr, bis 17. Dezember 2011

Laila Niklaus (erschienen im TIP, 07.12.2011)

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